Das Deutschlandticket macht Mobilität einfach:
Für 49 Euro geht es im Nahverkehr quer durch’s Land.
Wer profitiert besonders? Die Tarife in über 100 Verbünden geben Hinweise
eine datenbasierte Untersuchung
von [Name entfernt – anonymisierte Fassung für die FRU-Jury]
… für Abo-Fahrgäste
Die meisten erhalten ein günstigeres Angebot
41 Prozent der Berufstätigen, die regelmäßig den ÖPNV nutzen, besitzen ein Abo oder ein Jobticket. Für die meisten wird der Nahverkehr mit dem Deutschlandticket deutlich günstiger.
Die Karte zeigt Verkehrsverbünde und ihre Ersparnis gegenüber einem üblichen Abo. Als üblich gilt hier ein Vollzeit-Abo für Erwachsene im Stadttarif bzw. ein Abo, das Fahrten zum nächsten Mittelzentrum ermöglicht. An den meisten Orten ist das Deutschlandticket günstiger als ein Vollzeit-Abo. In diesen grün markierten Gebieten leben etwa 54 Millionen Menschen, also knapp zwei Drittel der Bevölkerung. In den grau schraffierten Gebieten ist es teurer (wobei viele Verbünde ihre günstigeren lokalen Abos zunächst weiter anbieten).
Auch in Verbünden, in denen das Deutschlandticket teurer kommt als das alte Abo, winkt die bundesweite Gültigkeit. Allerdings: die Abo-Preise sind in der Darstellung nicht um Zusatzleistungen bereinigt. Es fallen Angebote zur Mitnahme und Übertragbarkeit weg, die zum Beispiel für Familien wichtig sein können.
Was spart das Deutschlandticket in Ihrem Verkehrsverbund?
← Die Karte zeigt die Ersparnis gegenüber einem üblichen Ticket an 105 Orten bzw. Verbünden. Für viele Verbünde ist die Internetseite verlinkt
… für Gelegenheits-Fahrgäste
Ein Kaufanreiz vor allem in Metropolen
Der Bartarif ist in Deutschland beliebt: Knapp die Hälfte der ÖPNV-Fahrgäste kaufen sich Einzel- oder Tageskarten, wie eine Auswertung der Studie “Mobilität in Deutschland” für 2017 zeigt. Befragungen zeigen, dass diese Fahrkarten für Menschen mit geringem Einkommen sehr wichtig sind, wenn es kein günstiges Sozialticket gibt. So können sie sich das Geld über den Monat einigermaßen flexibel einteilen. ↗ Die Tageskarte ist im Alltag wichtig, weil sie etwa so viel kostet wie zwei bis drei Einzelkarten, aber einen ganzen Tag lang gilt. Preissensible Kunden nutzen sie, indem sie viele Fahrten an einem Tag bündeln.
Anhand von Tarifdaten der Beratungsfirma civity lässt sich darstellen, ab welcher Fahrt sich das Deutschlandticket finanziell ‘rechnet’. Der Vergleich basiert auf (9-Uhr-)Tageskarten – unter der Annahme, dass der Fahrgast das günstigste Tagesticket für sein Stadtgebiet zieht.
Am schnellsten amortisiert sich das Deutschlandticket in Metropolen: In Köln und Bonn etwa braucht es nur fünf Tageskarten. Auch im Ruhrgebiet sowie in Berlin und Hamburg ist das Tagesticket vergleichsweise teuer und die 49 Euro sind schnell ‘wieder eingefahren’. Mit abnehmender Größe der Stadt dauert es tendenziell länger: In Sindelfingen oder Eberswalde braucht es 16 Tageskarten, um auf 49 Euro zu kommen. Hier ist der Bartarif sehr günstig, wobei die Reichweite geringer ist als in der Metropole.
Deutschlandticket vs. Tageskarten
Die Tabelle zeigt die teuersten und günstigsten von 126 Tageskarten
im Vergleich zum Deutschlandticket →
Ort | Tageskarte | lohnt sich ab Fahrt |
---|---|---|
Köln | 9,10 € | 6 |
Bonn | 9,10 € | 6 |
Berlin | 8,80 € | 6 |
Dachau | 8,80 € | 6 |
Freising | 8,80 € | 6 |
… | ||
Biberach an der Riß | 3,50 € | 14 |
Eberswalde | 3,30 € | 15 |
Würzburg | 3,20 € | 16 |
Sindelfingen | 3 € | 17 |
Ludwigsburg | 3 € | 17 |
n = 126 Tarife (Tageskarten zum Stadttarif für Erwachsene, inkl. 9-Uhr-Tickets), Quelle: civity, Stand 2022 |
… für alle, die mehr wollen
Wählen Sie aus einem Blumenstrauß an Upgrades
Käufliche Upgrades
Um Fahrgäste für sich zu gewinnen, entwickeln die Verbünde Zusatzangebote zum Deutschlandticket. Für einen Aufpreis lassen sich z.B. Personen mitnehmen oder Mieträder/Carsharing nutzen.
Lokale Angebote als kostenfreie Upgrades
Einige Verbünde knüpfen bestehende Angebote an das Deutschlandticket. Sie locken mit Mieträdern, Scootern oder Park+Ride. Auch Prämien gibt es, z.B. Einkaufsgutscheine oder symbolische Baumpflanzungen. Diverse Verkehrsverbünde werben inzwischen damit, dass das Deutschlandticket bei ihnen auch am Monatsende gekündigt werden kann (was sonst nur bis zum 10. eines Monats möglich ist) oder dass es auch mitten im Monat buchbar ist.
Die Verbünde versuchen damit, Fahrgäste an sich zu binden. Sie haben große Angst davor, mittelfristig Einnahmen zu verlieren. ↗
Bestehende Regelungen
Viele Verbünde und Länder bauen auf bestehende Mitnahmeregeln für Personen, Räder und Hunde.
Die Sonderregelungen zum Deutschlandticket blühen auf
← In der Karte sehen Sie Upgrades und Mitnahmeregeln.
Klicken Sie auf die Symbole und spielen Sie oben rechts mit den Ebenen
… für Einkommensarme
Glück hat, wer in Tübingen, Hamburg, Hannover oder NRW lebt
Das Deutschlandticket kostet zum Einstieg 49 Euro im Monat. Ein Sozialticket gibt es nicht vom Bund. Verkehrsminister Wissing fordert die Länder auf: “Löst das aus euren Landeshaushalten … Es soll eine Lösung geben und nicht wieder 20, 30 Tickets, die administriert werden müssen”. ↗ Allerdings überschlagen sich die Verbünde bereits mit Sonderregeln und Rabatten, um Tickets zu verkaufen (siehe Abschnitt zu Upgrades).
Diverse Sozialtickets sind erhältlich bzw. in Planung, wie die Karte zeigt. In Tübingen gibt es das Deutschlandticket für 15 Euro. In Hamburg wird es auf 19 Euro bezuschusst und für Kinder aus einkommensschwachen Familien wird es kostenfrei. In der Region Hannover und in NRW sind ebenfalls bundesweite Sozialtickets geplant. Andere Verbünde senken den Preis für ihr Sozialticket, das aber weiterhin nur lokal oder regional gilt.
Ein bundesweites Sozialticket nach dem Hamburger Modell würde etwa 1,4 Milliarden Euro pro Jahr kosten – das entspricht knapp einem Viertel der Jährlichen Subvention durch die Entfernungspauschale.
Das Bürgergeld sieht pro Person monatlich 45,02 Euro für alle Verkehrsbelange vor, ↗ wobei die Sozialleistung schon zu “Hartz IV”-Zeiten als zu niedrig bemängelt wurde. ↗ Mehrere qualitative Befragungen zeigen derweil: Einkommensarme sind durchaus bereit, für den ÖPNV zu zahlen. Für Arme wäre ein Ticket von etwa 25 Euro im Monat bezahlbar. Zwar wurden die Befragten nicht repräsentativ ausgewählt, können aber durchaus für die Situation armer Menschen in Großstädten sprechen.
Annahmen zu Kosten des Sozialtickets: 6,2 Mio Berechtigte (Bürgergeld/AsylbLG, Stand 2021), Kaufquote 62% (entsprechend der Schätzung, mit der in Hamburg kalkuliert wird)
→ 3,9 Mio. Tickets, die jeweils mit 30 EUR/Monat bezuschusst werden
Glück hat, wer an einem Ort lebt,
der ein Sozialticket bezuschusst
In der Karte können Sie Sozialtickets vergleichen,
die im Rahmen des Deutschlandtickets im Preis angepasst werden →
… für Angestellte
Die Entfernungspauschale Belohnt weite wege
Viele Pendlerinnen und Pendler werden neben der Preissenkung bei den Abos von einem weiteren Effekt profitieren. Wer weite Wege hat, kann viel von der Steuer absetzen: Das Diagramm zeigt die Kosten des Deutschlandtickets nach Abzug der Pendlerpauschale für zwei Beispielfälle. Wer 40 oder mehr Kilometer pendelt, wird für jeden weiteren Kilometer steuerlich gefördert. Ein Arbeitnehmer, der täglich 60 Kilometer zur ersten Arbeitsstelle pendelt, kann die volle Pauschale geltend machen und somit seine Steuerlast um 1 079 Euro verringern. Zusätzlich zum Preis für das Deutschlandticket kann er sich somit 491 Euro erstatten lassen.
Die Pendlerpauschale ist ein indirekter Fehlanreiz, da sie das Fernpendeln belohnt, was in der Verkehrsforschung seit langem problematisiert wird. ↗ In Summe fördert der Staat das Pendeln in Deutschland mit jährlich etwa 6 Milliarden Euro. ↗
Das ist zwar nur eine Wechselwirkung mit dem Deutschlandticket – aber in Kombination mit der 49-Euro-Flatrate ist zu befürchten, dass es keine Fahrten vermeidet, oder sogar zu Mehrverkehr anreizt. Dieser ist zwar mit Bus und Bahn deutlich verträglicher als im privaten Pkw, doch auch ein wachsender ÖPNV braucht zusätzliche Energie. Auch die mittelfristige Wirkung auf Pendelverhalten und Siedlungsstruktur bleibt zu beobachten.
Annahmen zur Rechnung: 221 Arbeitstage Vollzeit / 110 Arbeitstage Teilzeit, 33% Grenzsteuersatz, Entfernungspauschale zum ersten Arbeitsplatz 30 Cent/km bzw. 38 Cent/km ab dem 21. km, abzüglich Werbungskostenpauschale 1.230 Euro (Konservative Annahme: WK-Pauschale wird nicht anderweitig geltend gemacht)
Fernpendler profitieren besonders
Das Diagramm verrechnet die Kosten für das Deutschlandticket mit der Steuer-Ersparnis →
Fazit: Das Deutschlandticket nützt den meisten,
und ganz besonders den Pendlern
Das Deutschlandticket erleichtert den Zugang zum Nahverkehr, was als riesiger Schritt zu würdigen ist. Zwar überbieten sich die Verbünde schon mit Upgrades und Sonderregeln, aber zumindest das Basisangebot steht – 49 Euro, bundesweit.
Wie diese kleine Untersuchung aufzeigt, profitieren besonders diejenigen vom Deutschlandticket, die in größeren Städten leben und bereits ein Abo besitzen. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung bekommt ein günstigeres Abo-Angebot. Vielen wird das Ticket mehrere Hundert Euro im Jahr einsparen. Nicht zu vernachlässigen dürfte auch der Nutzen im ländlichen Raum sein, zumindest dort, wo es ein ÖPNV-Grundangebot gibt.
Dazu gibt es eine Wechselwirkung mit der Entfernungspauschale: Das Deutschlandticket senkt die Kosten und die Pendlerpauschale belohnt lange Arbeitswege. Ob diese Kombination dazu beiträgt, die verbindlichen Klimaziele zu erreichen, ist fraglich, nachdem die Ziele bislang verfehlt werden. ↗ Dafür müssten sehr schnell viele Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen, was Forschende angesichts des Preises von 49 Euro im Monat bezweifeln. ↗ ↗ Allerdings bietet der ÖPNV, anders als das eigene Auto, eine echte Flatrate. Es gibt keine Grenzkosten mehr, was einige motivieren dürfte, auf den Nahverkehr umzusteigen.
Es wird kein bundesweites Sozialticket geben. Damit verpasst die Bundesregierung die Chance, einen Maßstab für die Teilhabe zu setzen. Stattdessen überlässt sie es Kommunen und Ländern, das Ticket für Bedürftige zu rabattieren. Das Ergebnis ist der bekannte Flickenteppich an regionalen Sozialtickets mit ihren Sonderregeln. Diese Tickets sind teilweise sehr günstig – Aber die Einfachheit, die gerade Einkommensarme beim 9-Euro-Ticket gelobt haben, ↗ gilt für die meisten Armen nicht. Dabei wäre ein bundesweites Sozialticket günstig zu haben, indem klimaschädliche Subventionen im Verkehr umverteilt werden.
Hinter der Geschichte:
die Erschwinglichkeit des ÖPNV messen
Die Idee zu dieser Seite entstand in einem Arbeitskreis der ARL, der sich mit Mobilität und Teilhabe befasst. Dort erarbeiten wir Methoden, um die Erschwinglichkeit des ÖPNV zu messen. Das passende Arbeitspaper von [Namen entfernt] steht hier zum Download bereit:
Was darf die ÖPNV-Nutzung im Kontext sozialer Teilhabe kosten?
Ideen für Indikatoren der ÖPNV-Erschwinglichkeit
Achtung: enthält die Klarnamen
der Autor*innen!
doi: 10.21248/gups.69034
Technische und inhaltliche Verantwortung für diese Seite:
[Name entfernt]
Dankeschön an
- [Name entfernt] für die Recherche
- civity Management Consultants für die Tarifdaten
- die Mitglieder des ARL-Arbeitskreises Mobilität, Erreichbarkeit und soziale Teilhabe für die Unterstützung
- [Name entfernt] für die Beratung zur Entfernungspauschale
- NahverkehrHAMBURG für die Aufbereitung zahlreicher Upgrades ↗
Presse
Achtung! In den verlinkten Beiträgen ist die einreichende Person mit Klarnamen genannt.
28.04.2023: tagesthemen Interview mit Katja Diehl (Video, 6 Minuten) |
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28.04.2023: NahverkehrHAMBURG Wochenrückblick |
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02.05.2023: Hamburger Morgenpost Wo beim 49-Euro-Ticket noch Luft nach oben ist |
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02.05.2023: Szene Hamburg Hamburg: Lohnt sich das Deutschlandticket? |
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08.05.2023: BR-Tagesgespräch Eine Woche Deutschlandticket: Sind Sie schon umgestiegen? (Audio, 60 Minuten) |
Updates
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